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Deutschland (Teil 2)

Bernburg - Halle - Jena - Hof - Selb

18. bis 22. November 2024, vier Etappen, ein Ruhetag, 350 km, 3.000 Höhenmeter

Im schönen Morgenlicht, die Sonne verdrängt langsam die letzten Wolken, fahre ich weiter auf dem Saaleradweg gen Halle. Dieser Teil gefällt mir wieder gut. Manche Wege sind wunderbar. Halle hat eine schöne Innenstadt mit imposanten Gebäuden. Auch die Menschen sind gut drauf. Ich werde mehrfach angesprochen. In einem Trekkingladen kaufe ich mir eine Campinggaskartusche, die auch unter Null Grad noch funktionieren soll. Dazu noch ein Windschutz, denn der von meinem Benzinkocher ist nicht hoch genug.

 

Für die Nacht hätte ich gerne eine Schutzhütte, denn es soll nachts und morgen früh viel regnen. Ich ich finde sie, direkt am Uferweg. Es kommt nur noch ein Radfahrer vorbei.

Der nächste Tag ist ein Tag der Überraschungen. Die positive: obwohl viel Regen angekündigt ist und auch auf dem Regenradar sichtbar, kriege ich fast nichts davon ab. Nur als ich nach einem Frühstück beim Bäcker in Naumburg aufbreche, regnet es ganz ordentlich und ich lege Regenjacke, Rainlegs, Überschuhe und wasserdicht Handschuhe an. Doch nach einer halben Stunde ist schon wieder Schluss und ich kann alles wieder ausziehen.

 

Dafür habe ich mächtig Gegenwind und manche Böe bringt mich fast zum stehen. Außerdem kommen die ersten steilen Anstiege, die ich schieben muss, mal wegen einer Baustelle, mal der offizielle Weg. Die Sohlen meiner Schuhe, halbhohe Merrell mit Goretex, ist leider etwas rutschig und ich muss mal gucken, wie ich damit klarkomme. Mein linkes Knie macht sich im Laufe des Tages etwas deutlicher bemerkbar. Erst ärgere ich mich. Was soll das denn? Ich hatte beim Radfahren doch noch nie Probleme. Und bislang war es doch meistens flach.

 

Dann versuche ich etwas gnädiger mit dem Knie zu sein. Ich werde immer langsamer. Ich schiebe auch Anstiege, die ich eigentlich fahren könnte. Mir kommt in den Sinn, dass ich doch ganz gerne hundert Kilometer am Tag fahren würde und das bisher auch geschafft habe. Dieser Ehrgeiz hindert mich aber, im Moment zu sein. Ich beschließe, nur bis Jena zu fahren, sechzig Kilometer, und mir dort ein Zimmer zu nehmen und mir was in der Apotheke zu besorgen. Außerdem muss ich auf der Post meine neue Kreditkarte abholen, die mir Fabio postlagernd zugeschickt hat.

Doch zuvor noch eine weitere Überraschung: mein Hinterrad verliert Luft. Wie das, fahre ich doch schlauchlos? Ich will nachpumpen und sehe, dass Ventil ist kaputt. Der Schaft ist durchgerissen. Das hatte ich schon mal bei der Marke, die schick und teuer ist, aber offensichtlich nicht so viel taugt. Ich baue das Hinterrad aus und wechsle das Ventil aus. Dabei löst sich natürlich der Mantel aus dem Felgenbett. Doch zum Glück habe ich eine Milkit-Flasche mit Spezielkopf dabei. Hat mir Peter empfohlen und die Flasche gleich geschenkt. Sollte also nichts schief gehen. Sonst wäre ich echt lost, denn los ist hier, wo ich gerade bin, überhaupt nichts. Doch überraschenderweise reicht meine kleine Pumpe aus, Druck auf den Reifen zu bringen und ich kann weiter fahren.

 

In Jena gehe ich zuerst zu der Postfiliale, einem Kiosk, die ich Fabio für die postlagernde Übersendung angegeben habe, genauso, wie es im Internet steht. Doch dort liegt nichts für mich. Ich werde zur Hauptpost geschickt, zum Glück gleich um die Ecke. Doch auch dort liegt nichts. Die Frau am Schalter ist jedoch sehr hilfsbereit und mit Hilfe der Sendungsnummer, die Fabio mir übersendet, findet sie raus, dass die Sendung zugestellt wurde. Also zurück zum Kiosk. Auch kein besseres Ergebnis. Dann hat die Frau einen Geistesblitz. Es handelt sich um ein Einschreiben zum Einwurf und nicht zur Übergabe. Sie schaut in ihren eigenen Briefkasten und siehe da, da liegt der Brief.

Donnerstag. Nach der Nacht im warmen Bett bin ich irgendwie down. Im Rückblick am Abend hätte nie gedacht, dass ich heute so weit komme, und bin ganz happy darüber. Der Tag fängt also erstmal beschissen an, denn ich spüre mein Knie schon beim Aufstehen. Das zieht mich richtig runter und ich fühle mich ganz elend. Wie schön wäre es doch jetzt zuhause ohne den ganzen Schlamassel. Okay, ich bin hier und gebe nicht so schnell auf. Ich probiere es mit losfahren, dann halt ganz ganz langsam. Die Berge kann ich ja hochschieben.

 

Vorher noch in die Apotheke. Gestern hatte ich mir Traumel geholt. Das hat nichts gebracht. Die Apothekerin hatte Ibuprofen empfohlen. Ich wollte aber nicht mit dem Hammer draufhauen, sondern meinem Körper eine Chance geben. Jetzt hole ich mir das Zeug - ich habe Jahrzehnte keine Schmerzmittel genommen, auch nicht bei meiner Zahnärztin - und werfe gleich eine Tablette ein. Schwuppsdiwuppsdi, nach einer halben Stunde wirkt das Zeug. Ich kann problemlos Anstiege hochfahren. Und traue mich immer mehr. Das ist auch nötig, denn die giftigen Anstiege häufen sich.

Über Rudolstadt sammeln sich dunkle Wolken und es fängt an zu graupeln. Kleinere Schauer begleiten mich den Rest des Tages, bei wenig über null Grad. In höheren Lagen liegt eine zarte Schneedecke. Nicht nur die Anstiege häufen sich, auch die Ausblicke, manchmal sogar mit Sonne. In der schönen Atmosphäre der Abenddämmerung fahre ich hoch bis auf 500 Meter und finde eine passende Hütte, mitten in der Schneelandschaft.

Ein roter Streifen am Horizont über den beschneiten Hügeln begrüßt mich am Morgen. Da es arschkalt ist, zum Glück ist mein Wasser nicht komplett durchgefroren, gibt es Frühstück im Bett. 


Ich folge der Straße über die Hügel. Im Tal fährt so spät im Jahr nicht mehr jede Fähre. Steile Abfahrten und Anstiege fordern mich, bis zu 15 Prozent. Auf Dauer nicht so Lust und ich sehne mich zurück an das flache Hingleiten der letzten Tage. Mein Knie macht alles mit, heute ohne Ibuprofen. Dafür bin ich mega dankbar. Bergauf wird mir schön warm, egal wie langsam ich fahre. Ich habe ja Zeit. Ich habe Zeit. Ich habe alle Zeit der Welt. "Das muss man sich nur immer wieder sagen." Zitat Johann König. 


In Blankenstein gibt es einen Bäcker beim Discounter. Keine Sitzgelegenheit. Also Kaffee aus dem Pappbecher und ne Mohnschnecke im Stehen. Ich beschließe, das sehr anstrengende Auf und Ab des Saaleradwegs zu verlassen und nehme Hof ins Visier. Schwupps bin ich schon wieder an der Saale - das müsste dann die fränkische sein. Immer wieder Schneeschauer und ich radle durch wirbelnden Flockentanz.

Ich bin unsicher, ob ich wie geplant durchs Erzgebirge und dann nach Prag fahren soll oder lieber irgendwie anders und weniger anstrengend gen Österreich. Fühlt sich gut an zu überlegen, was passend für mich ist. Um die Möglichkeiten auszuloten, will ich einen Ruhetag einlegen. Ich finde ein günstiges Hotel in Selb. Noch zwanzig Kilometer auf kleinen Wegen und über einen Berg. 


Ich bin nicht so glücklich über den einsamen Weg im Schnee über einen Berg, immerhin auf 700 m rauf. Er entpuppt sich jedoch als Volltreffer! Ich fahre in der Abenddämmerung durch verschneiten Wald. Nur stellenweise etwas vereist. Sehr stimmungsvoll und zauberhaft. 1.400 m Höhenmeter zeigt der Garmin - auch nicht schlecht, hat sich das Schwitzen gelohnt.

Am Ruhetag das Übliche: ausgiebig Frühstücken, Route planen, Webseite aktualisieren, Einkaufen und Essen gehen. Morgen geht es dann rüber nach Tschechien.

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